Artist’s Statement

Remix

Während der Corona Zeit unternahm ich ausgedehnte Spaziergänge durch mein fotografisches Archiv. Was man hier sieht, sind einige der alten Bekannten, die mir dabei über den Weg liefen.

Manchmal fühlte es sich so an, als würde ich eine Familiensaga nach langer Zeit noch einmal lesen: Die Erinnerung an Protagonisten, Szenen und Handlungsorte; hier und da sogar noch an Assoziationen, die ich beim früheren Lesen gehabt hatte.  Die Handlung schien mir nun mit meiner eigenen Geschichte verknüpft, auf die ich – aus einiger Distanz – zurückschaute.

Vielleicht ist es ein Fortsetzungsroman, der noch nicht zu Ende geschrieben ist. Neue Generationen und Familienmitglieder sind dazugekommen, die Geschichte wird von mindestens zwei Enden zueinander hin erzählt…

So stehen mitunter Bilder aus weit voneinander entfernten Entstehungs-Momenten plötzlich nebeneinander. Es ist wie in der Fotografie selbst, wo Dinge und Vorgänge, die in Wirklichkeit hintereinander im Raum gestaffelt sind, in der „Wahrheit“ der Bildebene plötzlich nebeneinander zu stehen kommen und so neue Realitäten und Bedeutungen erschaffen.

Die Zeiten ändern sich; alles scheint komplexer und widersprüchlicher zu werden oder schon geworden zu sein. Die Welt ist wohl vielschichtiger, multi-dimensionaler als in unseren tradierten Weltbildern angenommen. Damit gilt es positiv und konstruktiv umzugehen. Stichwort: Ambiguitätstoleranz.

Doch es gibt auch alte Quellen, deren Einflüsse und Wirkmechanismen uns unverändert zur Verfügung stehen. Vor-Bilder, die sich in der Gegenwart zu spiegeln scheinen und die uns immer noch viel zu sagen haben.

Dieses imaginäre Museum, zu Beginn der künstlerischen Laufbahn noch ganz fremdbebildert, doch im Laufe der Zeit um eigene ikonische Bilder erweitert, bedingt und beeinflusst durch seine Strukturen und Erinnerungen mein Sehen auf die Welt.

„Man sieht nur, was man weiß“ ist sicher nur ein Teil der Wahrheit; sich davon zu befreien, immer wieder nur dasselbe zu sehen, auch darin besteht für mich der künstlerische Prozess. Aber das innere Archiv der Vorbilder ist lebendiges Kunstkapital. Die Bilder der „verwandten Seelen“, im Laufe der Jahre zum anverwandelten Kanon geworden, sind die Schultern, auf denen man als Künstler steht. Ich zitiere sie gern, manchmal aber zitieren sie sich einfach auch ganz munter selbst, aus dem Unterbewussten heraus, und manifestieren sich – wie von Geisterhand – in neuen – alten Bildern.

Die hier gezeigten Fotos stehen, auch wenn viele von ihnen aus größeren Serien kommen, in diesem Mix wie Einzelbilder; zu verschiedenen Zeiten und in unterschiedlichen Kontexten entstanden, erscheinen sie so vielleicht inhaltlich zusammenhangslos aneinander gereiht.

Doch rhythmische, formale oder poetische Kriterien ließen sie in dieser Reihenfolge als Remix zusammenkommen.

Claus Sautter, Sommer 2022

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Remix

During the corona lockdowns I took long walks through my photographic archive. Sometimes it felt a little like re-reading a family novel after a long time. You remember certain protagonists scenes and locations and maybe even associations that came to mind when you first read it. You connect the stories in places of your own personal history which you are looking back to now – a good deal away from it.

It’s probably a sequel that hasn’t been finished yet. New generations and family members have arrived, the story is told from at least two endings towards each other. Occasionally, images from far apart dates of origin appear next to each other.  It’s like in Photography where things that in reality are specially staggered suddenly come together in the pictorial plane creating new realities and meanings.

Times change; The world seems more complex, multi-dimensional, contradictory than assumed in our traditional world views. So it might be helpful to reflect on that in a positive, constructive and more flexible manner.

The imaginary museum, initially filled with other peoples images and in the course of an artists life been expanded to include the own ones, determines and changes the way one sees the world, its structures and memories.

„One only sees what one knows“ is certainly only part of the truth; freeing yourself from seeing the same thing over and over again, that’s what the artistic process is for me. Nevertheless the inner archive of models and antetypes is living art capital. The kindred spirits which has become an assimilated canon over the years, means the shoulders I see us standing on. I like to quote them, but sometimes they just happily quote and manifest themselves – as if by magic – in new old pictures.  

But what you see here are nothing but individual images, created in different times and contexts, and bound together in a seemingly incoherent way at least in terms of content. Rhythmic, formal or poetic criteria alone allowed them to come together in this order as a remix.

Claus Sautter, August 2022